Der heilige Raum

Was macht einen heiligen Raum aus? Meines Erachtens kommt es darauf an, was wir in einem Raum wahrnehmen und der kann durchaus auch im Freien sein. Spüren wir die feinen Schwingungen, die zeitlos durch den Äther wabern? Jede/r kennt das: man betritt einen Raum und fühlt sich sofort wohl oder eben auch nicht. Ist die Atmosphäre vergiftet oder voller Fröhlichkeit und Leichtigkeit? Auch Plätze erfüllen uns mit Ruhe oder stressen uns. Es gibt bestimmte Orte, denen man besonders starke Kräfte zuschreibt, so wie Stonehenge in Südengland, die Pyramiden in Ägypten oder auch heilige Berge wie den Uluru in Australien oder der Vulkanberg Mauna Kea auf Hawaii. Es gäbe noch mehr aufzuzählen, aber es geht mir mehr um die spirituelle Dimension. Wir können auch selbst einen heiligen Raum erzeugen durch Rituale. Im Schamanismus eröffnet man vor jeder Reise den heiligen Raum und schließt ihn dann auch wieder. Jedes Kirchengebäude, das man betritt, ist wie ein Eintauchen in einen heiligen Raum. Allerdings sollte man wissen, dass die Institution Kirche häufig heilige Plätze regelrecht „besetzt“ hat und ihre riesigen Gebäude darauf errichtet hat. Auch hier der Missbrauch der Kirche in großem Stil. In Chartres zum Beispiel, war ursprünglich ein Brunnen, wo sich jetzt die Krypta befindet und die nur mit einer bezahlten Führung zu besichtigen ist.

Inzwischen wird immer wieder behauptet, dass bisherige heilige Orte ihre Kraft verlieren oder bereits verloren haben. Beim Besuch der Steinreihen von Carnac könnte das tatsächlich auch so sein. Die ehemalige Kultstätte ist zu einer Art Disneyland verkommen. Im Sommer werden dort scharenweise Menschen durchgeschleust und mit Minizügen durch die Strassen gekurvt. Die Steinreihen sind eingezäunt und man muss eine Führung buchen, wenn man durch die Steinlinien gehen möchte. Ein abstossender Anblick, wie der Kapitalismus einst heilige Orte ausbeutet. „Die Steine können nichts dafür“, meinte ich zu meiner Freundin, als wir dennoch im August dort waren. Unser Besuch war sehr kurz, denn wir waren ausgerechnet am 15. August dort, eine hoher Feiertag in Frankreich (Maria Himmelfahrt). Nichts für uns massenscheue Besucherinnen, die etwas ganz anderem nachspürten. So half nur die Flucht, um vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal zu kommen. Von Ende Oktober bis ins Frühjahr soll man angeblich ohne Führung durch die Steinreihen wandeln können. Man kann aber auch seine eigenen heiligen Räume erzeugen: durch Rituale an geliebten Orten oder schönen Plätzen, an uralten Bäumen oder beeindruckenden Steinformationen in der Natur. Entscheidend sind die Intension und die innere Haltung gepaart mit Offenheit.